„Wer das Glück hatte, diesem Priester im Leben zu begegnen, weiß, dass eine fast übernatürliche Kraft von ihm ausging.” So schreibt ein Zeitgenosse über den seligen P. Rupert Mayer. Die Kraft Gottes zeigte sich in diesem Priester in einer Zeit, in der die Welt scheinbar von Grausamkeit und Krieg regiert wurde. Als „fünfzehnter Nothelfer“ Münchens im Dienste der Armen, als hochdekorierter Kriegsheld und Feldkaplan im Dienste der Soldaten und schließlich als Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten hat er unter widrigsten Umständen vorbildlich priesterlich gewirkt und steht so nun als Vorbild für alle Priester und Katholiken in bewegten Zeiten da. Dieses Video gibt einen Einblick in sein beeindruckendes Leben.
Rupert Mayer – der Apostel Münchens gegen die Nazis
„Jetzt habe ich wirklich nichts und niemanden mehr als den lieben Gott. Und das ist genug, ja übergenug. Wenn die Menschen doch einsehen wollten, es gäbe viel mehr Glückliche auf Erden“. Das sind die Worte eines Menschen, der von der Gestapo ins Gefängnis geworden wurde, wohl wissend, dass ihm Folter, Hunger und Qualen im Konzentrationslager bevorstehen. „Als die Gefängnistür eingeschnappt war und ich allein in dem Raum war, in dem ich schon so viele Stunden zugebracht hatte, kamen mir die Tränen in die Augen, und zwar waren es Tränen der Freude, dass ich gewürdigt wurde, um meines Berufes willen eingesperrt zu werden und einer ganz ungewissen Zukunft entgegenzusehen.“1 Es geht um niemand geringeren als den seligen Jesuitenpriester Rupert Mayer.
Rupert Mayer wurde 1876 in Stuttgart geboren. Dort ließ er sich zum Diözesanpriester ausbilden, wurde mit 23 Jahren zum Priester geweiht und trat im Jahr darauf in den Jesuitenorden ein. In seinen ersten Priesterjahren reiste er viel durch die Niederlanden, die Schweiz und Deutschland, um Laien Exerzitien zu geben. Im Jahr 1912 begann er sein großes Lebenswerk: Die Sorge um die Armen von München. In diesen Jahren strömten viele Menschen auf der Suche nach Arbeit in die bayerische Metropole, was vielfach zu großer Not führte. Rupert widmete sich dem Dienst an den Bedürftigen, half bei der Nahrungs-, Arbeits- und Wohnungsbeschaffung und sorgte dafür, dass die Menschen über ihren Sorgen den Glauben nicht vergaßen. Dieses Apostolat sollte er, mit Unterbrechungen durch die beiden Weltkriege, bis zu seinem Tod im Jahr 1945 beibehalten.
Als Kaplan der bayerischen Streitkräfte im Ersten Weltkrieg zog er die Seelsorge an der Front der Arbeit im Feldlazarett vor. In den Schützengräben der Schlachtfelder in Frankreich, Rumänien und Polen inspirierte und tröstete Rupert die Männer, denen er diente, Katholiken und Protestanten gleichermaßen. Er war bekannt für seine Tapferkeit unter erschreckenden Bedingungen. Zu seinen wichtigsten Aufgaben als Kaplan gehörte es, die Sakramente zu spenden – insbesondere die Eucharistie und die Beichte – , die Männer auf ihren wahrscheinlichen Tod vorzubereiten, Sterbende zu betreuen und unzählige Soldaten zu bestatten. Er war auch dafür bekannt, dass er verletzte Männer aus der Schusslinie rettete. Im März 1915 wurde Rupert für seine vorbildliche Tapferkeit das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen, eine äußerst seltene Auszeichnung für einen Feldkaplan.
Im Jahr 1916 wurde Ruperts linkes Bein in Rumänien von einem Granatsplitter zerfetzt und musste amputiert werden. Mit einer Prothese hinkte Rupert für den Rest seines Lebens, nicht unähnlich dem heiligen Ignatius von Loyola, dem Gründer des Jesuitenordens, der als junger Soldat von einer Kanonenkugel am Bein getroffen wurde. Das Bein sollte Rupert in den folgenden Jahren bei seinen Pilgerfahrten und Prozessionen große Schmerzen bereiten und ihm den Spitznamen „hinkender Priester“ einbringen. Und es sollte bei weitem nicht das einzige schwere Kreuz sein, dass er zu tragen hatte. Aber er trug es mit Geduld, so wie er es auch dem Volk in Predigten angemahnt hat: „Am Kreuz kommt niemand vorbei, sei es nun groß oder klein, und die es nicht tragen wollen, sind unglückliche Menschen.“
Nach dem Ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik, einer von Krisen, Massenarbeitslosigkeit, Hyperinflation und widerstreitenden extremen politischen Mächten geprägten Zeit, kehrte er nach München zurück und nahm seinen Dienst in der Armenfürsorge der Stadt wieder auf. Vielleicht inspiriert von seinem Namensvetter, dem heiligen Rupert, dem Apostel Bayerns aus dem 7. Jahrhundert, gründete Rupert Mayer keine Klöster, sondern Laienvereine, um christliche Barmherzigkeit nach München zu bringen. Während seiner Zeit als Kaplan der Marianischen Männerkongregation verdoppelte sich z. B. deren Mitgliederzahl auf über 7.000. Die Menschen, die zu ihm kamen, fanden einen verständnisvollen Priester, dem es ähnlich erging wie ihnen. Er verteilte nicht nur Nahrung, Kleidung und geistliche Ratschläge und war ein anerkannter Prediger, der besonders im Beichtstuhl gefragt war. Er ertrug es auch, wenn seine Hilfsbereitschaft missbraucht wurde: „Wer noch nicht angeschmiert wurde, hat nie etwas Gutes getan.“
Mitunter feierte er gegen 3 Uhr morgens am Münchener Hauptbahnhof die Hl. Messe, damit die Leute, die sich einen Ausflug aufs Land leisten konnten, ihre Sonntagspflicht vor der Abfahrt des ersten Zuges erfüllen konnten.
Mit gleicher Vehemenz prangerte er sowohl kommunistische als auch nationalsozialistische Programme an, denen sich die Deutschen in den 1920er und 1930er Jahren in ihrer Wirtschaftskrise in immer größerer Zahl zuwandten. Er vertrat konsequent das, was er in einer Predigt mit folgenden Worten ausdrückte: „Nie dürfen wir für einen faulen Frieden eintreten. Wenn es um Dinge geht, die Gott gebietet, müssen wir durchhalten, auch wenn es Kampf und Streit gibt. Wo die Interessen Gottes in Frage stehen, hört der Friede auf.“ Als die Nazis nun an der Macht waren, blühten dem kantigen Prediger Redeverbote von staatlicher und sogar, um des faulen Friedens willen, von kirchlicher Seite. Es folgte schließlich eine Haftstrafe im Gefängnis Landsberg , in dem ironischerweise auch Adolf Hitler nach dem gescheiterten Bierhallenputsch von 1924 inhaftiert war und in dem nach dem Zweiten Weltkrieg Hunderte von verurteilten Kriegsverbrechern hingerichtet wurden. Auch nach seiner Freilassung im Rahmen einer Generalamnestie wirkte er in kleinen Kreisen gegen die Naziideologie weiter.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verschärfte sich die Lage erneut: Rupert wurde unter einem Vorwand im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin inhaftiert. Die Qualen des KZs brachten ihn an den Rand des Todes. Doch ein prominenter Märtyrer wäre den Braunen ungelegen. Die kirchlichen Oberen ließen sich auf einen Deal mit den Nazis ein: Er kam aus dem KZ frei und erhielt dafür Hausarrest in der Benediktinerabtei Ettal im bayerischen Voralpenland. Wie viele Leute hätten sich mitten im Krieg nach so etwas gesehnt: Fern von der Front oder den Qualen des Arbeitslagers den Krieg in einem beschaulichen Kloster zubringen zu dürfen. Doch für Rupert war es fast unerträglich. Während seiner verschiedenen Inhaftierungen war er immer besorgt darüber, dass sein Schweigen von den Gläubigen als Kapitulation vor den Forderungen der Nazis, nicht mehr gegen den Staat zu predigen, missverstanden werden könnte.
In sein Tagebuch schreibt er: „Aufgrund meiner grundsätzlichen Einstellung gegen die kirchlichen Behörden blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu fügen. ( . . . ) Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja dieser Tod ist für mich, der ich noch so voll Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefasst war. Der Gestapo und der ganzen Bewegung konnte ich und kann ich keinen größeren Gefallen erweisen, als hier ruhig abzusterben.“ „Wohin wäre auch das Christentum gekommen, wenn die Apostel sich solchen Verboten gefügt hätten. Aber ich sagte mir, hundertmal besser ist Gehorsam.”
Kaum von den Amerikanern befreit, kehrt Pater Rupert Mayer in das kriegszerstörte München zurück. Er hält wieder Predigten und wirkt als Seelsorger. Doch an Allerheiligen 1945 bricht er während der Predigt zusammen und stirbt wenige Stunden später. Seine letzten Worte waren: „Der Herr … Der Herr“. Auch wenn er nicht im engeren Sinne als Märtyrer starb, so hat er sich durch sein Leben als um Christi Willen Gefangener und seinen Tod inmitten der Ausübung des priesterlichen Dienstes doch in gewisser Weise diesen Titel verdient.
So erhob ihn im Jahre 1987 Papst Johannes Paul II. in München zur Ehre der Altäre. Sein Gedenktag wird am 3. November gefeiert.
In keinem katholischen Gebetbuch fehlt heute dieses Lieblingsgebet des seligen Rupert Mayer, dass wunderbar sein unerschütterliches Gottvertrauen ausdrückt, von dem sein seliges Leben und Sterben geprägt war.
Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n,
Und wie Du willst, so will ich geh’n.
Hilf Deinen Willen nur versteh’n.
Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,
Und wann Du willst, bin ich bereit.
Heut und in alle Ewigkeit.
Herr, was Du willst, das nehm’ ich hin,
Und was Du willst, ist mir Gewinn.
Genug, dass ich Dein Eigen bin.
Herr, weil Du’s willst, d’rum ist es gut,
Und weil Du’s willst, d’rum hab’ ich Mut.
Mein Herz in Deinen Händen ruht.